Auszug Artikel, MTZ, 11.7.1933, Archiv Schmidt
Das Kniesenackbier hat eine bis ins Mittelalter zurückreichende Geschichte und unterlag somit auch der einen oder anderen Veränderung über die Jahrhunderte hinweg.
Durch alle Zeiten hinweg bleibt aber eines gleich: Es handelt sich um ein helles, obergäriges Bier, welches einen hohen Alkoholgehalt aufweist und aufgrund seines Geschmacks gern getrunken wurde.
Der Ursprung des Kniesenackbiers liegt um 1550. Zu diesem Zeitpunkt war es über die Güstrower Grenzen hinweg bekannt und es zählte damals zu den edelsten seiner Art und wurde als ein „dickes und fettes Weizenbier“, bezeichnet, welches sehr stark und „wenn man es knöllig hineinsauf, hieße es Schmeis in Nacken“. (vgl. Ganz toll vom Fliederwasser“ In: Norddeutscher Leuchtturm Wochenendbeilage der NdZ, 13.3.1981, Seite 7.) Belegt schon vor dem Dreißigjährigen Krieg wurde es 1590 bereits als „trefflich gutes“ Bier bezeichnet und war zeitweise das teuerste Bier auf dem Markt. So ist es nicht verwunderlich, dass es an den Höfen es ein Luxusartikel war und genauso wie der Wein aus den Gutowschen Weinbergen gern als Gastpräsent mitgebracht wurde. (vgl. Kniesenack-Bier von Ulrich Schirow, In: SVZ 15.10.2005)
Im „Enconium oder Lob Spruch des weltberühmten, gesunden und wohlschmeckenden Gerstenbiers Kniesenack genannt, welches im Mecklenburgischen Lande zu Güstrow seinen Ursprung bekommen und anietzo daselbst gebraut wird“ kann man lesen, dass auf eine Tonne Wasser fünf bis sechs Scheffel Gerstenmalz kamen. Dieser Lobspruch wurde 1624 erstmals veröffentlicht und im Jahre 1706 mit Anmerkung von G. Detherding erneut aufgelegt.
Keramikbügelverschluss mit Kniesenack-Logo, Archiv Schmidt
Hier kann man lesen, dass da Bier als „Aphrodisiacum“ bezeichnet wird und es wird empfohlen, „daß man dasselbe nur modice (angemessen) trinken [soll], und nicht wie den groben Kujonen (Schurken) und die Bauernschlüfflern.“ Wenn man es langsam und in kleinen Schlucken trinkt, so ist man innerhalb kurzer Zeit „reich im Gedanken, beherzt, lustig, holdselig, mit liberalischen Geberden und mild in Verheißungen, sonderlich gegen die Frauen und Jungfrauen.“ Wenn man es hingegen schnell trinkt und nicht genießt, so macht das Bier „aus Menschen Säue“.
Um 1750 wird das Bier immer noch als sehr stark, klar und wohlschmeckend beschrieben, auch wenn es langsam aus der Mode kommt und zwischenzeitlich nicht mehr gebraut wurde.
1836 wurde das Bier wieder gebraut und zwar mit „reinem, gemachten Malze und reinem Hopfen, ohne Zuthun sonstiger Ingredienzien und Kräuter“. In den Bierstuben bekam man das Bier meist in einer Zinnkanne, die ungefähr 1 Liter fasste, wobei man dazu sagen muss, dass die Zinnkannen von Region zu Region unterschiedlich groß waren. In München umfasste eine Kanne 1,07 Liter und in Leipzig 1,5 Liter. Die kleinere Abfüllung wurde in Pott angegeben. 1 Pott war ca. ½ Liter.
Knapp hundert Jahre später kann man in den Mecklenburgische Monatsheften von 1925, zu welchen Mahlzeiten man das Kniesenack am besten trinkt. „Es ist gut morgens zur Suppe, es ist gut zur Winterszeit, es ist gut für Reichen und wie auch für die Tagelöhner, die nur eine gute Kanne Kniesenack“ und Stück Brod für ein gut Tractament halten“, besonders nach schwerer Tagesarbeit.“ Als Beikost wird auch roher Schinken und Knackwurst empfohlen.
Auszug Artikel, Mecklenburger Monatshefte, 1925, Archiv Schmidt
Auch kann man hier vom Paternoster lesen. Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus einer Flasche Kniesenack, einer Flasche Porter, einer Flasche Ale und zwei Flaschen gewöhnlichen „Hellen“, alles obergärige Biere. Sie wurden, wie oben schon beschrieben in Zinnkannen bereitet und aus Zinnbechern getrunken. Auch hier wird wieder von der Stärke des Kniesenackbiers berichtet. Wenn man in der Lage war, nach 5 Flaschen Kniesenack, ohne zu schwanken auf einem Strich gehen konnte, die Zeche erlassen bekam oder kostenfrei weitertrinken durfte. Leider änderte sich das Bier in den Kriegs- und Nachkriegszeiten und wies nicht mehr die alten Vorzüge auf, da die lange Liegezeit des Biers nicht gewährleistet werden konnte. (vgl. Die Revolution der Königin Luise. Geschichten aus Mecklenburg. Rostock, Konrad Reich Verlag 1990, S. 221ff)
Im Jahre 1933 taucht das Bier vermehrt in Zeitungsartikeln auf. In der DAZ (Dresdner Allgemeine Zeitung) kann man lesen, dass das Gerstenmalzbier in „behaglichen Flaschen nach der Art der Porterflaschen“ verschenkt werden. Die Porterflaschen erinnern „an tüchtige Mädchen, die vorne und hinten alles das noch tragen, was die Natur trotz Sport und Sachlichkeit nun einmal doch dem weiblichen Geschlecht als Attribute zugeteilt hat“. Der Wert des Kniesenacks wird in seiner Einmaligkeit und in der Tatsache beschrieben, dass es zwar ein starkes, aber sehr angenehmes Getränk ist, das im Übermaß genossen, immerhin außerordentlich freundliche und liebenswürdige Räusche zu vermitteln im Stande ist. (vgl. Rudolf Pechel, Dresdner Allgemeine Zeitung 1933) Auch hier findet sich das schon bekannte Rezept, dass auf jede Tonne fünf Scheffel Malz kommen und es gibt den Zusatz, dass es solange gebraut werden muss, bis der Sud „von klarem Brau“ ist.
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Bierflaschen mit Aufdruck Brauerei Sagemüller Güstrow, Archiv Schmidt |
Entgegen der vorherigen Überlieferung wird hier nun beschrieben, dass man sechs der kleinen Flaschen ausgetrunken haben muss, um die die siebente umsonst zu bekommen. Vermutlich liegt das an der Größe der Flaschen, die noch immer nicht genormt sind. Gelegentlich soll es vorgekommen sein, dass der Wirt die siebente Flasche kostenlos rausgeben musste, dann wurde dieser Tag aber rot im Kalender angestrichen.
In der Mecklenburgischen Tageszeitung (Nr. 158) von 11. Juli 1933 kann man den Bierbrauvorgang genau nachlesen.
„Der Urstoff des Bieres ist, wie wir wohl alle wissen, das Malz. Zu seiner Gewinnung wird bodenreife Gerste verarbeitet. Zunächst wird sie eingeweicht und damit auch gleichzeitig einem Waschungsprozeß unterworfen. Auf der Malztenne bringt man sie sodann zum Keimen, wobei sich die Mehlkörper des Kornes lockern. Rund 8 Tage muß die Gerste hier unter häufiger Bewegung lagern, bis Grünmalz daraus geworden ist. Das kommt nun auf die Darre, um die Keimung zu unterbrechen und das Malz zu rösten. In einer Putz- und Poliermaschine werden danach die Wurzelkeime abgeschlagen und das Malz staubfrei gemacht, worauf es zu Verbrauch fertig, auf den Aufbewahrungsboden kommt.
Wie man sieht, ist bis hierhin schon eine erhebliche Arbeit zu leisten. Vielfach beziehen deshalb die Brauereien ihr Malz fertig aus den Mälzereien. Unsere Kniesenackbrauerei verarbeitet die Gerste vom Urprodukt an. Der eigentliche Brauvorgang setzt im Sudhaus ein, nachdem das Malz über die Zollwage gegangen ist und eine Schrotmühle passiert hat. Im Maischbottich erfolgt die erste Bearbeitung. Im Läuterbottich wird die Würze von den Trebern getrennt und nun für sich in den Würzekessel gebracht. Hier wird nun der Hopfen zugesetzt und das Ganze gekocht. Über den Hopfenseiher wird das Gebräu dann auf das Kühlschiff gebracht.
Auf diesem Kühlschiff, einem großen flachen Behälter, sättigt sich die Würze mit der Luft. Über einen Kühlapparat wird sie von hier zum Gärkeller geleitet. Hier erfolgt der Zusatz der Hefe, worauf die Gärung beginnt. Die Untergärung dauert 7 bis 12 Tage. Die Temperatur der gärenden Würze wird zweimal am Tag gemessen und genau geregelt. Nach beendeter Hauptgärung kommt das Bier zu Nachgärung in den Lagerkeller. Hier macht es eine Lagerung 6 Wochen bis 3 Monaten und darüber durch, wobei es natürlich nicht minder sorgsame Pflege und Beobachtung erfährt. Das Abfüllen auf Faß oder Flaschen erfolgt hernach gleichfalls maschinell, so dass peinlichste Sauberkeit über gewährleistet ist. Kniesenack und Kniesenackbrauerei.“ (vgl. Mecklenburgische Tageszeitung Nr. 158, 11.7.1933, 2. Beiblatt
Nach Kriegsende wurde die Brauerei Sagemüller enteignet und als volkseigener Betrieb geführt. Das Kniesenack wurde weiterhin gebraut und getrunken. Quellen belegen ab hier aber nicht mehr das Bier an sich, sondern sind geprägt von Vertriebszahlen, Fluchtgeschichten und der Familiengeschichte der Familie Sagemüller.
Wenn es um den Geschmack des VEB Kniesenack Güstrow geht, gilt es nun die alten Güstrower und Güstrowerinnen zu fragen, um sich einen Einblick zu verschaffen.